Gedanken
Solidarität – nein danke???
In diesen Zeiten erlebe ich gerade eine große Spaltung in unserer Gesellschaft. Die Frage, wie man der epidemischen Lage von nationaler Tragweite begegnen kann, scheint unversöhnliche Gegensätze hervorzubringen. Ich bekomme das immer wieder mit: Kinder und Eltern reden nicht mehr miteinander, Familien streiten sich, Freundschaften zerbrechen und Kollegen werden gemobbt…
Ich empfinde dies als bröckelndes Gemeinschaftsgefühl der Gesellschaft mit zunehmender Ausgrenzung von Mitmenschen. Anscheinend verlernen wir, ohne Vorbehalte füreinander einzutreten.
Ich erinnere mich da gerne an die Geschichten über Jesus aus dem Neuen Testament. Eine wichtige Botschaft, die ich aus all diesen unterschiedlichen Erzählungen herauslesen kann, wird für mich zu einem verbindenden Element: Jesus ist frei und unbefangen auf die Menschen zugegangen. Er hatte keine Angst vor „Aussätzigen, Besessenen, Mondsüchtigen und Gelähmten“.
Er begegnete bedingungslos den Menschen. Reichtum, gesellschaftliche Stellung oder Weltanschauung waren für ihn kein Kriterium der Unterscheidung. Jesus hörte zu, redete und wirkte Wunder im Kreise der einfachen Leute, des Hauptmanns oder des königlichen Beamten. Er saß gemeinsam mit seinen Jüngern, vielen Zöllnern und Sündern zu Tisch, auch wenn andere gerade über letztere die Nase rümpften.
In der christlichen Tradition empfinde ich diese Offenheit als sehr heilsam. Unser Gegenüber ist und bleibt trotz eventuell anderer Meinungen und Ansichten ein Mitmensch. Miteinander zu reden und sich zu akzeptieren kann jede Spaltung überwinden. Altbekannt ausgedrückt: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Wenn wir alle begreifen, dass wir selbst für unser Handeln verantwortlich sind, dann können „wir selbst die Veränderung sein, die wir uns für diese Welt wünschen“.
Ich wünsche mir ein angstfreies empathisches Miteinander in aller Vielfalt auch in Zeiten der Krise. Einfach gemeinsam Mensch sein.
Christian Spengler