Meinung
„Seid nicht solidarisch, sondern menschlich!“
„Wir müssen solidarisch sein“ scheint mir das Leitmotiv der letzten Jahre. Und ist das nicht auch gut und richtig so? Es lohnt sich, dies mal näher zu beleuchten.
Laut Wikipedia bezeichnet „Solidarität (von lateinisch solidus „gediegen, echt, fest“) oder solidarisch [...] eine zumeist in einem ethisch-politischen Zusammenhang benannte Haltung der Verbundenheit mit – und Unterstützung von – Ideen, Aktivitäten und Zielen anderer. Sie drückt ferner den Zusammenhalt zwischen gleichgesinnten oder gleichgestellten Individuen und Gruppen und den Einsatz für gemeinsame Werte aus.“
Und genau da beginnt aus meiner Sicht das Problem. Es ist einfach, jemand anderem zuzustimmen, seine Ziele auch zu den eigenen zu erklären und sich zu verbünden. Insbesondere dann, wenn die eigenen Werte und Ziele dadurch nicht bedroht werden. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass dort jemand sein muss, der unsere Ziele nicht teilt, gegen den wir in Solidarität agieren müssen. Meiner Meinung nach bedeutet das: „Solidarität erzeugt Feindbilder.“ In den letzten Jahren konnten wir das aus der einen oder anderen Perspektive selber erleben.
Wäre es nicht schön, wenn wir über das „wir gegen den Feind“ hinauswachsen könnten? Wenn wir uns nicht in Solidarität, sondern in Menschlichkeit verbinden würden?
Jesus sagt im Lukas-Evangelium: „Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.“ und „wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!“ (Lk 6, 27-28 und 31)
In Gottes Schöpfung sind wir alle gleichwertig und miteinander verbunden. Unser Gegenüber ist ein Spiegel unser Selbst. Es ist nicht immer leicht, das zu erkennen. Es ist nicht immer leicht, abweichende Meinungen aushalten zu können. Es ist nicht immer leicht, zu akzeptieren, dass jemand anderes einen anderen Lebensentwurf und andere Prioritäten hat ...
Genau so, wie wir uns das für uns selber wünschen, sollten wir gerade diejenigen, die wir sonst nicht beachten oder sogar ausschließen, zuhören und uns in Liebe und Menschlichkeit zuwenden.
Jeder von uns ist Gottes geliebtes Kind, mit allen Eigenarten, Macken und Liebenswürdigkeiten in vollendeter Schönheit. Lasst uns gemeinsam unsere Unterschiede feiern!
In diesem Sinne: „Seid nicht solidarisch, sondern menschlich!“
Christian Spengler